Mittelalter Fotografie von Charlie Dombrow

mittelalter

„Wie geht ein Ritter in Rüstung zum Klo? Trug jedes Burgfräulein einen Keuschheitsgürtel? … Zum Glück haben sich die Zeiten gewandelt. Heutzutage kann man solche Fragen direkt jenen stellen, die die Antworten eigentlich wissen müssen. Beispielsweise einem echten Ritter, der sich auf einem Mittelalterfest gewiss auch mit der Entsorgung beschäftigen muß…  Das wiederbelebte Mittelalter ist ein wunderbares Thema für Fotografen. Entdecken Sie mit der Kamera eine abwechslungsreiche Szene, die Traditionen bewahrt und Historie lebt…“

Mit diesen Worten führt uns der Autor Charlie Dombrow in sein Buch über Mittelalter-Fotografie ein.

Es ist ein Buch voller Geschichten über Geschichte im Mittelalter und den Möglichkeiten, die sich den Fotografierenden heute bieten.

Das Mittelalter zeichnet sich dadurch aus, daß es noch ganz viele sichtbare Überreste aus dieser Zeit gibt. Das sind Burgen und Schlösser und die Geräte aus dieser Zeit. Hinzu kommen Bücher mit den Schilderungen, die uns Werte und Leben damals vermitteln.

Und die Menschen haben heute diese Zeit wieder entdeckt.

Im Mittelalter hatte jeder seinen Platz. Und wer heute in eine Rolle aus dem Mittelalter schlüpft hat automatisch seinen Platz in dieser Gemeinschaft Gleichgesinnter. Vielleicht ist dies einer der Gründe, weil man heute keinen Platz in der Gesellschaft mehr hat, sondern nur noch Funktionen.

Wer weiß.

Herr Dombrow hat in jedem Fall ein Buch gemacht, das fotografisch sehr lehrreich und inspirierend ist. Da paßt auch der Begriff „Fotoreiseführer“ weil Orte, Regionen und Schauplätze in ganz Deutschland aufgeführt werden und sehr viele Beispiele für gelingende Fotos gezeigt werden.

In dem Buch geht es aber nicht nur um Burgen und Schlösser sondern auch um die Menschen, die damals lebten. Und genau das ist heute ja wieder zu sehen. In immer mehr Städten gibt es Mittelaltermärkte, Schausteller, Schauspiele und vieles mehr.

Es sind ideale Orte um alle Möglichkeiten und Leidenschaften der digitalen Fotografie auszuleben.

Hier kann man Menschen in mittelalterlicher Kleidung und mit mittelalterlichen Werkzeugen aufnehmen und daraus mit digitalen Filtern Gemälde und Ansichten erstellen, die so aussehen als ob sie vor 500 oder 600 Jahren gemacht worden wären.

Besonders hinweisen möchte ich auf das Kapitel 4. Herr Dombrow nennt es „Guter Rat“.

Darin finden wir Themen wie Denkmal, Panoramafreiheit und das Recht am eigenen Bild. Mit vielen Beispielfotos zeigt er, daß man eben nicht einfach mal so irgendwo fotografieren darf und die Fotos dann im Internet zeigen darf. Er selbst hat fast überall ein Model Release dabei, um Menschen, die erkennbar sind, auch rechtlich abgesichert mit Zustimmung zu fotografieren.

Die vielen Feinheiten und Fallen werden in diesem Kapitel sehr anschaulich und für Laien direkt verstehbar dargestellt. Das hat Herr Dombrow wirklich gut gemacht.

(Im Wupperartmuseum finden Sie eine Reihe von Fotos von mir, die die Umsetzung zeigen. Diese wurden allerdings vor dem Erscheinen des Buches aufgenommen, weil die juristischen Fragen identisch mit denen bei Streetfotografie sind. Dort sieht man wie man auf öffentlichem Gelände ohne Model Release fotografieren darf, wenn Ritter selbst ein Fotoshooting machen – es kommt eben nur auf den entscheidenden Moment an.)

Jede Seite in dem Buch bietet Anregungen und inspiriert, so daß es uneingeschränkt empfehlenswert ist.

Aber ich möchte hier noch nicht enden, weil dieses Buch auch mich inspiriert, wenn ich es sozial einordne und deshalb möchte ich einige Gedanken zur Erinnerungskultur anfügen.

Denn dieses Thema zu fotografieren bedeutet ja, sich einem wachsenden Kreis von Menschen zuzuwenden, die dies heute leben. Es ist Teil unseres Zeitgeistes.

Warum ist das so?

Zudem frage ich mich, was bleibt eigentlich von unserer Zeit sichtbar, die immer mehr in der Cloud hat?

Wahrscheinlich so wenig wie bei Wolken, wenn sie vergehen. Dann würden nachfolgende Generationen weiterhin das Mittelalter kennen und besichtigen können, aber nicht das 21. Jhrdt.?

Wenn ich dieses Buch als Spiegel der Vergangenheit nehme, um in die Gegenwart zu sehen, dann komme ich auch auf den Gedanken, daß die Fotografie heute eigentlich noch mehr dokumentieren müßte, damit zumindest sichtbar zu sehen bleibt, was heute ist.

Aber wo werden die Fotos von heute zu sehen sein, wenn alles privatisiert „abgeheftet“ wird an nicht sichtbaren bzw. zugänglichen Stellen?

Und so ist dieses Buch ein besonderes Buch zur Fotografie

  • das ein Thema des Zeitgeistes aufgreift,
  • das sehr anschaulich und gut fotografische Zugänge vermittelt und
  • das beim Lesen und Anwenden einfach Spaß macht.

Es ist bei Franzis erschienen.

Mittelalter Fotografie

Autor: Charlie Dombrow

Herausgeber: Ulrich Dorn

Satz & Gestaltung: Nelli Ferderer

Covergestaltung: Manuel Blex

ISBN: 978-3-645-60425-3

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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